1. Grundsätze und Werte
Das Ziel dieses Konzeptes ist es, die Arbeit sowie die ihr zugrunde liegende Philosophie des Königin-Fabiola-Hauses in einer einfachen, praxisnahen und verständlichen Form zu präsentieren, welche zugleich den Ansprüchen einer humanen, positiven Behindertenpolitik genügt.
LEITMOTIV : “Die Würde jedes Menschen ist unantastbar”
Ganzheitlichkeit :
“Du bist gut so wie du bist.”
Der Mensch steht im Vordergrund und nicht seine Behinderung. Wir betrachten den Menschen als Ganzes, in seiner Gesamtheit. Wir nehmen ihn so an wie er ist. Wir würden ihn also niemals als ganze Person verwerfen, höchstens aber die eine oder andere Verhaltensweise nicht dulden. Grundsätzlich halten wir fest, dass der Bewohner mit all seinen Interessen, Gefühlen, seiner Individualität, Erfahrungen, Fähigkeiten, seiner Lebensgeschichte, Grenzen und Bedürfnissen im Mittelpunkt sämtlicher Überlegungen und Aktionen steht.
Wohlbefinden:
“Du darfst dich hier zu Hause fühlen!”
Wir versuchen jedem Bewohner die Möglichkeit zu bieten sich im Königin-Fabiola-Haus “zu Hause” zu fühlen. Dem persönlichen Wohlbefinden jedes Einzelnen gilt das Hauptaugenmerk der Betreuungsarbeit.
Selbstverwirklichung und Eigenverantwortung:
“Du darfst so leben wie es dir (und anderen) gut tut.”
Jeder Bewohner hat das Recht sich selbst zu verwirklichen insofern er dadurch niemandem einen Schaden zufügt. Dies muss nicht immer mit den Vorstellungen der Begleiter oder der Leitung des Hauses übereinstimmen.Je grösser die Kapazität an Eigenverantwortung eines Bewohners ist, desto geringer ist die Verantwortlichkeit der Begleiter. Umgekehrt bedeutet dies natürlich :Je geringer die Kapazität an Eigenverantwortung eines Bewohners ist, desto bedeutender ist die Verantwortlichkeit der Begleiter. Dieses Verhältnis zwischen Eigenverantwortung der Bewohner und Verantwortung der Begleiter wird systematisch überprüft, damit den Bewohnern ein Höchstmass an Lebensqualität garantiert werden kann. Wir stellen fest, dass Selbstverwirklichung im Wesentlichen dazu führt, dass die Bewohner ein positives Selbstwertgefühl aufbauen, weil man ihnen etwas zutraut und weil sie etwas können. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch Fähigkeiten hat.
Selbstbestimmung:
“Du darfst über dich selbst bestimmen.”
Wir sind für die Selbst – Bestimmung (im Gegensatz zu “Fremd – Bestimmung”) der Menschen die hier leben. Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und versuchen ausgehend von jedem Bewohner darauf zu achten, dass ihm ein größtmögliches Maß an Selbstbestimmung garantiert wird. Im Austausch mit anderen Einrichtungen und dem Umfeld versuchen wir diese Grundhaltung zu erklären und zu vertreten. Selbstbestimmt zu leben heißt aber auch fähig zu sein (SEIN und WOLLEN) die Verantwortung für sich zu übernehmen (KÖNNEN). Der Bewohner sollte die entsprechenden Konsequenzen, welches das eine oder andere Verhalten mit sich bringt, selbst tragen.
Konfessionsfreiheit:
“Du darfst deinen Glauben leben.”
Wir sind ein konfessionsfreies Haus. Jeder hat hier die Möglichkeit seinen Glaubensvorstellungen entsprechend zu leben, insofern das daraus resultierende Verhalten niemanden einen Schaden zufügt.
Politische Neutralität:
Das Personal des Königin- Fabiola- Hauses ist im Rahmen der beruflichen Tätigkeit politisch neutral.
Gesundheit
“Wir helfen dir auf deine Gesundheit zu achten.”
Wir achten auf das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden des Einzelnen. Wir tragen die medizinische Verantwortung für das Wohlergehen der Bewohner.
Beständigkeit, Sicherheit und Flexibilität:
“Du bist geschützt, hast aber auch freie Entfaltungsmöglichkeiten.”
Wir versuchen einen pädagogischen und strukturellen Rahmen zu bieten, welcher den Bewohnern auf der einen Seite Sicherheit, Schutz und Beständigkeit, auf der anderen Seite aber auch Flexibilität vermittelt und gewährleistet.
Wahrheit und Vertrauen:
“Du sollst die Wahrheit über dich kennen.”
Damit die Bewohner in einer vertrauensvollen Umgebung leben können, ist es unsere Aufgabe, sie immer wieder mit der Realität zu “konfrontieren” und zwar in einer ihnen angemessenen Sprache / Art und Weise. Wir erachten es als wichtig, dass sie über ihren Körper, ihre Gesundheit und ihr Umfeld Bescheid wissen.
2. Organisationsform
Zielpublikum
Wer darf im Königin-Fabiola-Haus wohnen?
Wir sind zuständig für Menschen mit
- einer mentalen (geistigen) Behinderung
- einer mentalen (geistigen) Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Problemen insofern sie nicht eher den Aufenthalt in einer Psychiatrie oder sonstigen angepassten Einrichtung brauchen
- körperlicher und mentaler Behinderung insofern diese keine ständige Präsenz einer Pflegekraft benötigen
- neurologischen Schäden Personen insofern wir die Möglichkeit der Integration ins Gruppenleben sehen.
Die Dienststelle für Personen mit Behinderung vermittelt mögliche Bewohner ins Königin-Fabiola-Haus (siehe “Orientierungsbogen” der Dienststelle für Personen mit Behinderung).
Wir nehmen Frauen und Männer auf. In jedem Fall müssen sie mindestens 18 Jahre alt sein. Ausnahme
Wir sind ein offenes Haus und keine geschlossene Einrichtung. Menschen mit einer starken Weglauftendenz können demnach nicht bei uns untergebracht werden.
Aufnahmedauer
Die Bewohner
Als Bewohner des Königin-Fabiola-Hauses bezeichnen wir Menschen mit Behinderung, die an mindestens 225 Tagen im Jahr im Königin-Fabiola-Haus anwesend sind.
Jeder Bewohner (oder dessen gesetzliche Vertreter) der den Wohnstättenvertrag unterschrieben hat und der sich an die Hausordnung hält kann im Prinzip bis zu seinem Tod bei uns wohnen. Allerdings erteilt die Dienststelle nur jeweils eine Genehmigung für die Unterbringung zwischen 6 Monaten und 3 Jahren. Nach einem positiven Bilanzgespräch verlängert sich die Aufnahmezeit dann immer wieder.
Dem Alter des jeweiligen Bewohners entsprechend versuchen wir auch unsere Struktur an deren Bedürfnissen anzupassen, z.B. später aufstehen, Tagesbetreuung für Bewohner die nicht mehr täglich zur Tagesstätte gehen können/ möchten.
Kurzzeitaufenthalte
Das Königin-Fabiola-Haus garantiert 2 Plätze für Kurzaufenthalte (z.B. wegen Ferienaufenthalt eines Angehörigen) oder Notaufnahmen (z.B. wegen Sterbefall in der Familie). Dabei haben Anfragen für Notaufnahmen den Vorrang. Insofern es organisatorisch für das Königin-Fabiola-Haus möglich ist, könnte die betreffende Person diese Möglichkeit während maximal 90 Tagen pro Jahr nutzen.
Während des Tagesstättenurlaubs bieten wir keine Kurzaufenthaltmöglichkeiten an (außer Notaufnahmen).
Wohnformen
Wir möchten jedem Einzelnen Zeit und ausreichend Raum bieten für eine individuelle Lebensgestaltung. Ausgehend von den individuellen Bedürfnissen der Bewohner bieten wir unterschiedliche Wohnformen an :
- 2 Wohngruppen mit jeweils bis zu 9 Personen (sowie 1 Kurzaufnahmeplatz) für Menschen mit einem hohen Begleitbedarf
- 1 Wohngruppe mit maximal 5 Personen, die mit einem geringen Begleitbedarf auskommen und deren Selbständigkeit bedeutender ist
- Individuelle Lebensgestaltung im Privatraum (z.B. kochen und essen im eigenem Zimmer)
- Wir sind offen für die Möglichkeit einer Aussenwohngruppe für jene Bewohner, die nach einer selbständigeren Wohnform suchen
- Betreutes Wohnen in Kollaboration mit anderen Diensten (z.B. Wegweiser) für Menschen, die sich in einem Abnabelungsprozess zum Königin-Fabiola-Haus befinden
3. Der pädagogische Rahmen
Anwendung der Grundsätze und Werte
Aufgabe des Personals des Königin-Fabiola-Hauses ist es, eine Organisationsstruktur zu schaffen, welche den Bewohnern die Anwendung der im ersten Kapitel beschriebenen Grundsätze und Werte garantiert. Die Grundsätze und Werte bilden gewissermaßen das Herzstück des Hauses. Daraus soll sich sämtliches Handeln im Haus ableiten.
Kommunikation im Team
Die ein- bis zweiwöchig stattfindenden Teamsitzungen sind zentraler Bestandteil für das Gelingen einer effizienten Arbeit und zur Schaffung eines angenehmen Lebensrahmens, in dem alle sich wohlfühlen dürfen. Die Beschlüsse müssen klar, transparent und effizient sein. Zusätzliche Besprechungen und Arbeitsgruppen können ebenfalls initiiert werden
Das Koordinastionsteam findet 1x monatlich statt und setzt sich aus Vertretern der einzelnen Teams zusammen. Diese Versammlungen dienen dazu, die Zusammenarbeit im Haus effizient zu strukturieren und der pädagogischen Arbeit im Haus neue Impulse zu geben.
In schwierigen Situationen greifen wir gelegentlich auf Hilfe von außen zu, wie Supervision, Beratung zum Umgang mit Autismus,…
Zur täglichen Kommunikation der Begleiter zählt das Boardheft. Schriftlich festgehaltene Informationen sind unumgänglich wegen der Besonderheit der Dienstpläne. Mündlicher Austausch unter Kollegen ist nichtsdestotrotz sehr wichtig.
Berufsgeheimnis und Diskretion
Grundsätzlich unterliegt jedes Personalmitglied der Schweigepflicht.
Ausgehend von der Frage “Ist es der Person dienlich, wenn ich diese oder jene Informationen über sie weitergebe ?” geben wir selbstverständlich kaum Informationen über die Privatsphäre weiter. Nur so kann sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Bewohnern und Begleitern aufbauen. Die Begleiter fragen in der jeweiligen Situation beim betreffenden Bewohner nach, ob es für ihn in Ordnung ist, wenn bestimmte Informationen privater Natur an spezifische Personen weitergegeben werden. Kann eine Person sich nicht dazu äußern, liegt es in der Verantwortung des Betreuers ausgehend von der oben beschriebenen Frage abzuwägen, ob und wem er welche Information weiterleitet.
Kontinuität
Kontinuität in der Arbeit bringt Sicherheit und Beständigkeit für die Bewohner mit sich. Wir möchten den Bewohnern den nötigen Halt bieten, den sie brauchen um in ihrem persönlichen Reifungsprozess voranschreiten zu können. Diese Kontinuität kann in den verschiedensten Formen Ausdruck finden : für die Bewohner überschaubare und regelmässige Stundenpläne, ähnlich konsequentes Verhalten den Bewohnern gegenüber seitens verschiedenen Begleiter, Regeln die für alle gleichermassen gelten,…
Bezugsbetreuer
Bis auf die Bewohner der selbständigeren Gruppe ist jedem Bewohner ein Bezugsbetreuer zur Seite gestellt, der folgende Aufgaben übernimmt :
– den Überblick über das allgemeine Befinden haben und die entsprechende Verantwortung übernehmen,
– I D P (individueller Dienstleistungsplan ) erstellen,
– Kleidereinkäufe tätigen,
– Kontakte zur Familie und zur Arbeitsstelle,
– ein Vertrauensverhältnis anbieten,
– Budgetplanung (Taschengeld),
– Ordnung im Zimmer,
– Gesundheit (Arzttermine, Medikation),
– Dossierverwaltung
In Anbetracht der Vielfalt an Aufgaben darf der Bezugsbetreuer trotzdem nicht willkürlich alleine Entscheidungen treffen die das Wohl der Person in Frage stellen. Der Bezugsbetreuer muss nicht jede dieser Aufgaben selbst übernehmen, doch es liegt in seiner Verantwortung bestimmte Aufgaben gegebenenfalls zu delegieren.
Eventuell findet ein Bezugsbetreuerwechsel nach 3 Jahren statt, nachdem die Situation analysiert und ein Bedarf festgestellt wurde
Körperempfinden, Affektivität, Intimität und Sexualität
Jeder Bewohner hat das Recht, seine Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, welche in Zusammenhang mit dem Thema “Körperempfinden, Zärtlichkeit, Partnerschaft und Sexualität” stehen, zu leben. Wir unterstützen ihn dabei und bieten dementsprechend angepasste Hilfestellungen an. Allerdings ist es dem Bewohner nicht gestattet, zur Befriedigung seiner Bedürfnisse die Grenzen von anderen Personen zu überschreiten (gegenüber Bewohnern, Begleitern oder Außenstehenden). Umgekehrt haben die Begleiter die Aufgabe, die Bewohner vor möglichen Übergriffen zu schützen (z.B. Verletzung der Intimsphäre, Missbrauch,…). Aufklärungsarbeit gehört zu unserer Pflicht. Bei schmerzhaften Prozessen ist es die Aufgabe der Betreuer, diese zu thematisieren und der jeweiligen Person die nötige Unterstützung anzubieten (z.B. in Form von Gesprächen, Suche nach einem Therapeuten,…).
Hygiene, Arzt und Pflege
Wir garantieren je nach Selbständigkeit und Behinderung der Bewohner eine Unterstützung bei der täglichen Hygiene und Pflege, bieten aber keine Dienstleistungen an in diesem Bereich, die nur von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden dürfen.
Bei Beschwerden und Gesundheitsfragen greifen wir auf außenstehende Ärzte, Spezialisten, Kinesitherapeuten oder andere zurück. Für das geistige und seelische Wohlbefinden geben wir den Bewohnern vielfältige Möglichkeiten : Therapie, Entspannungsübungen, Wohlfühlmassagen,…
1) IDP bedeutet “Individueller Dienstleistungsplan” : Dieses Arbeitsmittel stellt eine Zusammenstellung der Bedürfnisse des jeweiligen Bewohners dar und versucht die jeweiligen Mittel festzulegen, um die aus den Bedürfnissen resultierenden Zielsetzungen erreichen zu können